Aktuelles aus den Projektgruppen
Ein besonderes Chanukkafest
Ein Chanukkafest ganz besonderer Art feierten 12 Mädchen und Jungen der 8. Klasse der Wilhelm-Busch-Schule. Sie waren von dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Hagen, Hagay Feldheim, in die Synagoge an der Potthofstraße eingeladen worden. Mit dieser Einladung wollte er ihnen seine Dankbarkeit ausdrücken. Zur Vorgeschichte: Seit Anfang des Schuljahres beteiligt sich die Klasse an dem Projekt "Jüdisch hier" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Bis zum Frühjahr 2022, so das ehrgeizige Ziel, wollen die Jugendlichen einen Dokumentarfilm zum Thema "Jüdisches Leben in Hagen" drehen. Zunächst beschäftigte sich die Klasse im Spätsommer mit der jüdischen Kultur und Geschichte. Dann kam der 15. September. In jener Nacht zogen schwerbewaffnete Polizisten vor der Synagoge Hagen auf und verhinderten so ein Attentat auf die Jüdische Gemeinde. Im Unterricht lasen die Jugendlichen die entsprechenden Zeitungsartikel und entschlossen sich, der jüdischen Gemeinde Briefe zuzusenden, in denen sie ihm Trost zusprachen. Die Briefe hatten Hagay Feldheim nach eigener Aussage so berührt, dass er sich bei den jungen Leuten bedanken wollte. Und kam so auf die Idee, gemeinsam das Chanukkafest zu feiern.
Zunächst begrüßte Hagay Feldheim die angereisten Schülerinnen und Schüler in der Synagoge. Diese hatten einen selbstgestalteten Chanukka-Leuchter und ein selbstgemaltes Bild als Gastgeschenke dabei. Auf dem Bild waren die Presseartikel über den Attentatsversuch aufgeklebt, die von dem Licht von neun Kerzen überstrahlt werden und damit Hagay Feldheim und der jüdischen Gemeinde Hoffnung geben soll.
In einem offenen Gespräch erzählte Hagay Feldheim über die jüdische Kultur, über Regeln in der Küche und am Sabbat, über den Tempel in Jerusalem vor 2000 Jahren und das Chanukkafest, bei dem an das Wunder der Öllampe gedacht wird, die acht Tage lang leuchte, obwohl sie nur Öl für einen Tag hatte. Später entzündeten die Jugendlichen zusammen mit Hagay Feldheim die Kerzen des Chanukka-Leuchters und es gab für die Gäste Buchgeschenke und Schokolade. Zum Abschluss des Ausflugs ging der Künstler Dietmar Schneider von der Kooperative K mit den Jugendlichen in den Garten der Synagoge. Dort konnten die Jugendlichen sich mit Farben austoben. "Malt mit den Farben, die für Euch für Licht und Wärme stehen und mit den Farben, die für Dunkelheit und Kälte stehen", so der Vorschlag des bekannten Hagener Künstlers. Den Jugendlichen, so glaubt Schneider, falle es leichter, das Erlebte und die damit verbundenen Emotionen mit Farbe als mit Worten auszudrücken. Und tatsächlich entstanden eindrucksvolle, oft abstrakte Bilder. Zum Abschied fanden dann viele der Gäste aber doch noch Worte: "Danke für das schöne Geschenk." Ob damit eher das selbst gewählte Buch oder die Schokolade gemeint war, blieb offen.
Lutz Debus, Wilhelm-Busch-Schule Hagen
Spurensuche mit israelischer Partnerschule in Detmold
Wir vom Christian-Dietrich-Grabbe Gymnasium pflegen seit 2007 eine Schulpartnerschaft mit der MOR High School in Maccabin-Re’ut in Israel. Wir fühlen uns zudem geehrt seit 2015, eine der
derzeit 13 deutschen Partnerschulen von Yad Vashem zu sein. Alle zwei Jahre lernen so ca. 25 Schüler*innen der 10. und 11. Jahrgänge unserer Schule etwas über die gemeinsame und doch so verschiedene Vergangenheit, über die Gegenwart und die Zukunft unserer beider Ländern. Auf den Besuch in Israel und den Gegenbesuch der Israelis werden unsere Schüler:innen intensiv
durch eine AG vorbereitet. Die Israel-AG des Grabbe-Gymnasiums ist auch 2020 wieder gestartet und hat sich mit einer Projektidee beim LWL-Medienzentrum beworben.
Der Besuch der Israelis in Detmold soll auch in diesem Durchgang einen Stadtrundgang „Auf jüdischen Spuren“ durch Detmold beinhalten, den unsere Schüler:innen selbst vorbereiten und
durchführen. Eine bilinguale Version wird zudem auf der Anwendung ArcGIS StoryMaps veröffentlicht werden und unseren Beitrag für das Projekt „Jüdisch hier“ bilden. Auch wir haben uns bereits vor den Ferien auf den Weg gemacht, an unserem Projektbeitrag zu arbeiten. Begonnen hat für und alles mit der Suche nach den Spuren jüdischen Lebens in Detmold. Die so hinterlassenen Abdrücke in der Stadttopografie - manche sichtbar, andere nicht sichtbar aber vorhanden und einige auch für immer verschwunden, haben uns zwei Mitgliederinnen der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe e. V. aufgezeigt.
Heute scheinbar unscheinbar und doch für immer erinnert ist beispielsweise der ehemalige Standort der Neuen Synagoge in Detmold: errichtet 1907, niedergebrannt 1938. Der Gedenkstein
hierfür wurde von Dorsten Diekmann entworfen. Leider wird auch hier im beschaulichen Detmold sichtbar, dass antisemitische Übergriffe in unserer heutigen Zeit nicht ausbleiben.
Elisabeth Hecker, Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasium, Detmold
Anne Frank Tag am MGH: Mit Schirm, Charme und Schaber gegen modernen Antisemitismus
Sie selbst nennt sich eine „Intensivtäterin gegen Hass“. Ihre Taten: Hassbotschaften übermalen. Ihr Werkzeug: Schaber, Nagellack und Spraydose.
Die 76 Jahre alte Irmela Mensah-Schramm widmet ihren Lebensabend dem Kampf gegen Hassbotschaften. Seit dem 10. Januar 2007 hat die pensionierte Heilpädagogin nach eigenen Angaben 90.305 Hassbotschaften abgeschabt, übermalt und zur Anzeige gebracht. Deutschlandweit.
Im Rahmen des Anne Frank-Tages war Irmela Mensah-Schramm am 18. Juni 2021 zu Gast am Märkischen Gymnasium Hamm (MGH). In einer Gesprächsrunde diskutierte die Berlinerin mit den Schüler*innen des Q1-Projektkurses Geschichte und der AG „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ von Dr. Andrea Kolpatzik über Antisemitismus als Code. Analog und digital zugleich. Denn Corona bedingt konnte die Kooperationsschule aus Brandenburg nur digital zugeschaltet werden: Auf Abstand und via Zoom nahmen die Schüler*innen der AG „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ des Humboldt-Gymnasium Eichwalde und ihr Lehrer Hendrik Küpper an der Veranstaltung teil. Ebenso wie die MGH-Schüler trieb sie zunächst eine Frage um: Warum?
„Gegenhass hilft nicht gegen Hass“, erklärte Mensah-Schramm ihr Konzept. Statt mit Polemik begegnet sie braunen Parolen mit Esprit und Kreativität. Wie etwa im Jahr 2016, als sie in einem Fußgängertunnel im Berliner Bezirk Zehlendorf das Pegida-Graffito „Merkel muss weg!“ kurzerhand in „Merke! Hass weg!“ übersprühte.
Die von ihr entfernten Aufkleber hat Mensah-Schramm in der Ausstellung „Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute“ dokumentiert. 128 Ordner umfasse ihre Sammlung bereits. Kein Wunder, dass die Ausstellung sogar im Deutschen Historischen Museum gezeigt wurde.
Pointierte Botschaften sind ihr Markenzeichen. „Wer von Asylflut redet, hat Ebbe im Kopf“ steht beispielsweise auf einer ihrer Reisetaschen. Mit diesen plakativen Statements dreht sie den Spieß einfach um: Nicht Antisemitismus als Code, sondern Zivilcourage und Menschenrechte.
In Dekonstruktion, Prävention und Interaktion übten sich auch die Schüler*innen aus Hamm und Eichwalde in einem gemeinsamen Workshop. Doch zuvor mussten sie die rassistischen und antisemitischen Hassbotschaften erst einmal identifizieren. Denn Mensah-Schramm weiß aus Erfahrung: „Antisemitische Hassbotschaften sind nicht immer einfach zu erkennen.“ Die Zahlen „88“ und „18“ seien zwar die häufigste Propagandaform, die Eingang in rechtsextreme Symbole und Zeichen gefunden hätten. Doch der Kanon dieser rechtsextremen Symbole wandelte sich stetig.
Um Antisemitismus als Code ging es dann auch im Abendvortrag „Tradiert oder importiert? Antisemitismus der Gegenwart“. Dr. Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung klärte die Schüler*innen aus Hamm und Eichwalde über Formen modernen Antisemitismus auf. Dieser zeichne sich vor allem durch Rassismus, einer Täter-Opfer-Umkehr und der Trivialisierung des Holocaust aus. In Ergänzung des Workshops von Mensah-Schramm erklärte sie den Schüler*innen aktuelle Codes modernen Antisemitismus: Ratten, Kakerlaken, Kraken oder die Verwendung des Judensterns im Rahmen von Anti-Corona-Demonstrationen. Immer gehe es darum, dem Judentum größtmöglichen Einfluss und Macht zuzuschreiben. Ihr Fazit: „Antisemitismus ist kein religiöses Problem, sondern ein soziokulturelles“.
Dr. Andrea Kolpatzik, Märkisches Gymnasium Hamm